Die Brachial Romantische Haus Apotheke
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ABROSTUNG WIDER WILLEN

SPRECHER 1 Die Menschheit darf aufatmen, meine Damen und Herren, und sich entspannen. Die Abrostung, die in den letzten Tagen über aller Welt auf hohen Touren lief, ist, wie das UNO-Head-Quarter meldet, heute morgen sechs Uhr auf dem infanterilen Marineflugplatz Manöver-Minden erfolgreich abgeschlossen worden. Die Menschheit hat damit ihren größten Sieg ersiegt und darf aus ihrem schönsten Traum erwachen.
Ein friedlicher Planet dreht sich von Stund an in die Zubrunft hinein, und das UNO-Head-Quarter ruft nach diesem grandiosen Triumph über unser aller Misstrauen dazu auf, nicht stehen zu bleiben, sondern vertrauensbildend weiterzumachen, um auf allen Gebieten mit der Militanz abzurechnen und die Epoche der kriegerischen Klassenschlägereien für immer der Geschichte in die Schuhe zu schieben.
Die zuständigen Regierungen werden in diesem Zusammenhang ersucht, militante Namen wie ARMEnien, GRANAda oder BOMBay von den Landkarten zu streichen, und Komponisten wie Grieg oder Schütz, als auch Literaten wie etwa Hauptmann zu entpopularisieren. Denn die Zeit sei reif wie Fallobst und die Losung des Tages laute, nicht unter den Bäumen stehen zu bleiben, sondern herauszutreten aus dem Schatten in die Sonne.

Ganz unverhofft an einem Hügel
Begegnete der Fuchs dem Igel
Der trotzte ihm als auch der Welt
Bewaffnet, doch als Friedensheld

Doch unterm Waffenberg zu liegen
Ist selbst für Igel kein Vergnügen
Dem Fuchs missfiel das Warten sehr
Er wurde Vegetarier

Der Igel lag noch lang verkrampft
Obwohl der Fuchs längst abgedampft

Risotto
Steckt der Kopf zu lang im Sand
Wird er einem aberkannt

A. Peter Ätz, der als Sonderkorresponsorte des DELHI HORROR dem interneschionellen Abrostungskommando unter Leitung von Maxim Maximalitsch Raduga zugeteilt worden war, berichtet aus erster Hand, wie die Abrostung auf dem Infanterilen Marineflugplatz Manöver-Minden vonstatten gegangen sei. Die Kommission wäre von Generalhochkanonier Wilhelm von Jena-Auerstedt weihewürdig empfangen worden, und bei jedem seiner Worte, so A. Peter Ätz, habe ein fast unbekleideter Friedensengel auf seiner Zunge gesessen – und gefroren.
Jena Auerstedt, sowie der Killitärkanister Schneid von Messerscharf hätten hernach die Kommission ohne Umschweife in den Mili-Tanz-Saal komplimentiert, wo, wie A. Peter Ätz behauptet, der Stellvertreter des Obernulllösers, Feldhirsch a.D. Ignaz Balzplatz aufgrund seiner verrutschten Blindenbinde die Orientierung verloren und sich versehentlich auf den Elektrischen Stuhl gesetzt habe. Glücklicherweise am Hauptschalter vorbei.
Zu Zwecken des Augenauswischens sei ein bilapidares Bankett mit erlesenen Spezereien aufgestapelt gewesen, welches in der Mitte von einer Karaffe schweren Wassers gekrönt worden wäre. Diese habe jedoch niemand anheben können.

SPRECHER 2 Die Kommission, so berichtet Rudi Bravo, der paritätisch bevollmächtigte Beobachter der böhmischen Dörfer rund um Usti an der Laber, sei jedoch bewundernswert hart gekocht gewesen und habe sich durch die Liebedienereien der Killitärs nicht die Augbälle meliorieren lassen. Hingegen sei man zielstrebig zur Sache gekommen.
„Also “, habe der Oberentroster M. M. Raduga ausgerufen, „wir vernichten jetzt Ihre SPWs und machen daraus, äh … Erntedankwagen. “
Augenzeugen bezeugen, dass dem Generalhochkanonier von Jena-Auerstedt schwarz vor Augen wurde. Er habe wie ein Panzerrohr im Sperrfeuer geschwunken und gebarmt: „Nicht die SPWs! “
Das könne er seinen Leuten nicht antun.
„Verschrotten Sie doch in der Kombüse die neuen Hydraulik-Suppenkessel. “
Gulaschkanonen seien ihm eh lieber, habe er, sich nicht entblödend, hinzugefügt. Daraufhin wäre die Kommission erstaunlicherweise weich geworden und hätt die Kessel mir nichts, dir nichts, plattwalzen lassen.
SPRECHER 1 Ohne Verzug habe man nun die berüchtigten Wässer-Admiräle Kattegat Gluck und Skagerrak Schluck herbeizitiert, die, so A. Peter Ätz, eben noch hinter einem marinenierten Hering hergewesen seien, und von ihnen die sofortige Auslieferung der zwanzig Atom-Unterboote gefordert, zum Zwecke der friedlichen Überwachung von Greenbiestern.
Stehenden Fußes hätten beide Befehlsinhaber – Kattegat Gluck und Skagerrak Schluck – ihre Kissen vor sich hingeschmissen, und seien theatralisch in die Knie gegangen: „Nicht die zwanzig Unterboote! “
Die seien geldmäßig so sauteuer gewesen! Man biete dafür 40 – in Worten vierzig – Schlauchboote zum Zerstechen.
SPRECHER 2 Die Kommission habe sich – unverständlicherweise – ein allerletztes Mal erweichen lassen, wie Rudi Bravo nach Usti an der Laber telexte, sei wie ein Rudel Piranhas über die Schlauchboote hergefallen und habe dieselben klipperklar gebissen, woraufhin der Wasserspiegel hätte neu geglättet werden müssen.
Nachdem die Abrostungskommission sich so trefflich abreagiert hatte, habe sich der britische Abrostungseleve Düsenpaddel McMacken übermütig an den Generalhochkanonier gewandt und ihn gefragt:
„Wieviele Finger hat eine Panzerfaust? “
Darauf habe Jena-Auerstedt in offenkundiger Kenntnis der Fremdsprache gekontert:
„Five Fingers – einen zum Abdrücken und vier zum Wegschießen. “
Woraufhin beide sich vor Lachen eingeseicht und die Hosen hätten wechseln müssen.

SPRECHER 1 Oberentroster Raduga, so A. Peter Ätz, habe nunmehr lässig mit seinem Flugzeugträger geschnipst und schonungslos die Zernichtung der gefürchteten Wasserstoffsuperoxidbomben gefordert, bei deren Einsatz kilometerweit das Land blond werde. Nun hätten sich Bombenwart Major Muskelini und der Generalhochkanonier von Jena-Auerstedt dem Obernulllöser M. M. Raduga um je ein Bein gewunden und ihm flehentlich mit Daumen und Zeigefinger die Bügelfalte nachgezogen.
„Nicht die Wasserstoffbomben! “ Wenn er die nun noch brauche, habe der Generalhochkanonier wenig überzeugend gebettelt. Er gäbe ihnen, blutigen Herzens zwar, aber immerhin, seine neu patentierten Stinkbomben mit dem unerträglichen Geruch von Flüssigmüll, Schweißfuß, verbrannten Haaren und Knoblauchbaldrian. Damit habe er, wie weitgehend unbekannt sei, bereits zwei Manöver gewonnen!
Die Kommission hätte sich merkwürdigerweise ein allerallerletztes Mal weichmachen lassen und die Stinkbomben mit einem hydraulischen Deoroller entschärft.
Zum Schluss habe sich Maxim Maximalitsch Raduga samt seinen hochdotierten Begleitern protokollgemäß durchs Potemkinsche Dorf führen lassen, auf dem Gebellplatz den Kompaniehund umarmt, der Marketenderin zehn Mark geschenkt, und sei hernach hintersinnig grinsend in seine UNO-Sänfte geklettert, um mit abgeblendeten Rücklicht davonzurauschen.
„Oub oub oub “, stieß der Generalhochkanonier Wilhelm von Jena-Auerstedt erleichtert auf, „noch einmal davongekommen! “ Eine Eierhandgranate fiel ihm wie ein Stein vom Herzen, explodierte am Boden, entzündete die Wasserstoffbomben, welche die U-Boote, die sich hinter den Radarschirmen hatten verdünnisieren wollen, vollständig blondierten, wobei die Radarschirme wegradiert wurden und die tonnenweise verflüssigte Tarnfarbe den SPWs ein für allemal die Luken verkleisterte. Binnen weniger Minuten hatte sich der gesamte infanterile Marineflugplatz Manöver- Minden höchstselbst entmilitarisiert.

SPRECHER 2 In sicherer Ferne, so Rudi Bravo, habe die Entrostungskommission aus ihrer Sänfte heraus das psychotaktisch perfekt eingefädelte Selbstentrostungsschauspiel beobachtet und sei ein wenig enttäuscht gewesen. Gestern in Bunkershausen, habe der Feldhirsch a.D. Ignaz Balzplatz mit erblondetem Schopf genörgelt, hätte die Nulllösungsdetonation viel lauter geklungen, und ihm, der er schwer höre, wesentlich mehr gegeben. Und vorgestern in Stahlhelmstedt sei es nachgerade gewaltig und um ein Vielfaches publikumswirksamer verlaufen.
Aber auch hier, so habe Oberst Raduga seinen Feldhirsch a.D. getröstet, wäre doch die große Mission zur Zufriedenheit der Zufriedenheit liebenden Menschheit verlaufen. Und das sei ja wohl das Entscheidende! Auf dass man den Sekt zu Recht entkorken und die UNOform eines Tages beruhigt ausziehen könne.

Ganz unverhofft an einem Hügel
Begegnete der Fuchs dem Igel
Der trotzte ihm als auch der Welt
Bewaffnet, doch als Friedensheld

Der Fuchs war ein Fakirkadett
Und suchte just ein Nagelbrett
Er ließ sich auf dem Igel nieder
Und reckte wohlig seine Glieder

Der Igel dachte beim Ersticken
Der muss doch nicht richtig ticken

Risotto
Was zur Abschreckung gedacht
Hat Entspannung hier gebracht

Und bald wuchs Gras über die Sprengkrater
In den Tümpeln badeten Graugänse und Kinder
Und im Schilf nisteten die Liebespaare

Beckert/Wolff 1988
veröff. auf Podeststücke (2006)


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